So hat es mich erwischt
In der zweiten Hälfte des Jahres 1999, nachdem ich mich bereits zwei volle Jahre des Ruhestandes erfreut hatte, gerieten zuerst mein Neffe David, dann mein Sohn Matthias und schliesslich auch ich via Internet in Kontakt mit einigen Vertretern einer traditionsbewussten Familiengruppe aus den USA. Diese Hobby-Genealogen stehen über E-mail miteinander in Verbindung, sie verfügen über einen praktisch lückenlosen Stammbaum ab 1869 und suchten mit grosser Leidenschaft, aber bislang erfolglos, nach ihren europäischen Vorfahren und Verwandten. Sie nennen sich heute im wesentlichen (wieder) Meyer, stammen aber von einem 1869 eingewanderten Kaspar Brühlmeier ab. Sie glaubten, dieser sei Deutscher gewesen und über die Schweiz in die USA eingewandert, und gaben als dessen Geburtsort Kapsweyer in Bayern an. Bei ihrer Suche waren sie unter anderem auch auf zwei Cousinen meines Vaters gestossen, deren Vater Emil Brühlmeier zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Kalifornien ausgewandert war.
Die Sache mit Kapsweyer erschien uns allen unverständlich, weckte aber unsere Neugier. Es lag nahe, dass ich als der Pensionierte versuchte, die Fakten zu klären und die erforderlichen Informationen zu beschaffen. Es ist unsicher, ob ich den Auftrag damals so obenhin angenommen hätte, wenn ich das Ausmass der ganzen Aufgabe hätte überblicken können. So oder so: Meine Nachforschungen führten – wie vorauszusehen – zu völlig andern Resultaten, gaben mir aber den Anstoss, den Stammbaum unseres Geschlechts zu erstellen und damit auch die Entstehung des jüngsten Wettinger Geschlechts, eben der Brühlmeier, zu erforschen. Dieser Entschluss trug mir immerhin, nebst Hunderten von Arbeitsstunden, auch ein paar Ausflüge ins Bernbiet, dann eine Frühlingsreise in die (ehemals bayrische) Pfalz und später auch einen Herbstaufenthalt in Kalifornien ein.
Gewiss ist: Ohne Computer und Internet hätte ich die Arbeit nicht begonnen. Bei der Verwaltung der erhobenen Daten erweist sich der Computer als praktisch unersetzliches Arbeitsinstrument. Derzeit gibt es Dutzende von Genealogie-Programmen, welche die Erfassung der Daten erleichtern und die Verknüpfungen der einzelnen Personen in vielfältiger und übersichtlicher Weise darzustellen vermögen. Ich verwende nach wie vor gerne die deutschsprachige Version des aus Norwegen stammenden Programms „WinFamily“. Sehr wertvoll waren mir sodann die vielen Informationen, aber auch verschiedene Kontakte, die ich im Internet bzw. über E-mail-Gruppen fand. Als sehr hilfreich empfinde ich meine Mitgliedschaft bei der Schweizerischen Gesellschaft für Familienforschung (SGfF); ihre Hompage (http://www.eye.ch/swissgen) ist ein praktisches Eingangstor in die Welt der Genealogie, und deren geschlossene Mailingliste ist für alle Mitglieder ein lebendiges Diskussionsforum.
Ich fing nun also zu forschen an und fuhr sehr bald parallel auf verschiedenen Gleisen. Ich musste mich in die Grundlagen der Genealogie arbeiten, mich mit den technischen Hilfsmitteln vertraut machen, Bewilligungen einholen, die aktuelle Brühlmeier-Gemeinde um Hilfe bitten, zahlreiche Archive durchwühlen und alte Akten in teilweise abenteuerlichen Schriften entziffern, an unterschiedlichste Orte reisen, die „Geschichte der Gemeinde Wettingen“ und alte Landkarten studieren, stundenlang im „Klosterarchiv“ lesen, Passagierlisten von Auswandererschiffen durchsehen, die erfassten Namen und Daten in den PC eingeben, vergleichen, kombinieren, korrigieren, gezielter suchen, mit widersprüchlichen Entdeckungen ins Reine kommen usf. usf.
Fertig ist eine solche Arbeit nie. Trotzdem wollte ich damit an ein Ende kommen und lege nun hier die wesentlichsten Resultate einem weiteren Interessenkreis vor. Dabei gestatte ich mir, nicht bloss die einstweiligen Ergebnisse aufzulisten, sondern die Leser durch die bereits in dieser Einleitung gewählte Form der erlebnishaften Berichterstattung an der allmählichen Auffindung der wirklichen Verhältnisse teilnehmen zu lassen.