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Zusammenarbeit im Schulhaus

 

Persönliche Erlebnisse

In meiner Zeit als Primarlehrer (1954 - 1971) hatte ich in meinem Schulhaus niemals eine Auseinandersetzung mit einem Kollegen. Es gab keine Konflikte, keinen Streit, nie eine Einmischung, nie eine Kritik, nie eine Störung, nie eine Verletzung. Aber ich erhielt auch nie eine Hilfe, nicht die geringste Anregung, keinen einzigen hilfreichen Tipp, den ich als unerfahrener Mensch z.B. im Hinblick mein Verhalten im Dorf durchaus nötig gehabt hätte. Nie hat mir ein Kollege in der Pause zugehört, Material angeboten, mich ermutigt, auf Bücher aufmerksam gemacht oder ein Problem mit mir besprochen. Und schliesslich auch das: Nie hat mich jemand um Hilfe angegangen, nie ist einer mit seinen Problemen zu mir gekommen, und kein Kollege im Schulhaus profitierte von meinen Vorbereitungen. Des Rätsels Lösung ist einfach: Ich war einziger Lehrer im Dorf, allein im Schulhaus, führte eine Gesamtschule mit acht Klassen. Was ich also oben anführte, betrifft nur den Zustand in meinem Schulhaus. So pflegte ich eben den Kontakt mit den Kollegen im Umkreis.

In späteren Zeiten habe ich die Atmosphäre in einigen Lehrerzimmern erfahren und dabei auch viel Belastendes erlebt, das ich nicht beschreiben will. In den letzten 20 Jahren meiner Lehrtätigkeit war ich Teil eines Kollegiums, in welchem man freundschaftlich zusammenlebte und zusammenarbeitete. Ich weiss darum, wie viel vom Verhältnis der Kollegen untereinander abhängt.

 

Hindernisse auf dem Weg zur Zusammenarbeit

Wir Lehrer gelten weit herum als Individualisten, die sich in Sachen Zusammenarbeit schwer tun. Das wird zumeist als Vorwurf, als Anklage ausgesprochen. Ich betrachte dies als falsch. Anklage bringt nichts, hilfreich ist bloss Verständnis. Wenn Hunderte und Tausende von Berufsleuten, denen man doch grundsätzlich den guten Willen nicht absprechen kann, ähnliche Schwierigkeiten haben, so muss dem etwas zu Grunde liegen, das berechtigt oder zumindest verständlich ist. Ich sehe es so: Das Grundgefühl, das die erwartete und geforderte Zusammenarbeit erschwert oder verhindert, ist Angst. Das ist alles andere als ein Vorwurf. Es ist gestattet, Angst zu haben, und kein Mensch muss sich seiner Angst schämen. Sie kommt nämlich von selbst, ohne dass wir es wollen. Überwinden können wir sie erst, wenn wir sie in all ihren Facetten genau kennen:

 

Negative Folgen der fehlenden Zusammenarbeit oder einer Situation emotionaler Spannungen im Lehrerkollegium

Natürlich bestehen die negativen Folgen einer fehlenden Zusammenarbeit zuerst einmal darin, dass all das Positive, das sie ermöglicht (siehe nächstes Kapitel), nicht entsteht.

Da aber die Zusammenarbeit meist darum fehlt, weil die Beziehungen zwischen einzelnen Lehrern emotional belastet sind, bedeutet dies in der Regel nicht bloss das Fehlen der Zusammenarbeit, sondern darüber hinaus einen mehr oder weniger offenen oder versteckten Kampf gegeneinander. Dieser erzeugt beispielsweise folgende Phänomene bzw. Situationen, die mir allesamt von Betroffenen mitgeteilt wurden:

Solche Szenen, wenn sie sich immer wieder ereignen, haben Folgen: Die allgemeine Stimmung wird gedämpft, man kommt so spät wie möglich ins Schulhaus und geht so früh wie möglich weg, man verbringt die Pausen allein, man ist bedrückt, bekommt den Verleider und wird schlimmstenfalls allmählich tatsächlich zum Versager. Das Tragische daran ist: Jeder hält seine Widersacher für mehr oder weniger schlecht, obwohl sie das zumeist so wenig sind wie sie selber. Die Menschen sind viel weniger bös, als man glaubt. Sie sind hilflos, ungeschickt, unwissend, entmutigt, ihren Gefühlen ausgeliefert, haben Angst, fühlen sich abgelehnt und glauben, kämpfen zu müssen – aber sie sind nicht böse.

 

Positive Folgen einer guten Zusammenarbeit

Ich möchte klarstellen: Zusammenarbeit soll nicht gepflegt werden, weil es Mode ist oder es jemand verlangt. Sie ist nicht l’art pour l’art. Sie ist darum gut und wünschenswert, weil sie bessere Bedingungen für die Lehrer und einen grösseren Lern- und Erziehungserfolg bei den Schülern bewirkt.

 

Voraussetzungen

 

Ein Wort zum Schluss

Zusammenarbeit kann nicht aufgenötigt werden. Wer sich innerlich frei fühlt, soll sich in Freiheit mit andern zusammentun und darf spüren, dass er daran wächst, dass sie ihn bereichert. Zusammenarbeit muss Freude machen und darf nicht belasten. Sie soll ein Beitrag sein, dass es den Lehrern gelingt, mit Freude Schule zu halten und aus dieser Grundgestimmtheit heraus die Schüler zu bilden und zu erziehen.

 

Adresse des Verfassers:

Dr. Arthur Brühlmeier

CH - 5452 Oberrohrdorf (Kanton Aargau, Schweiz)

arthur@bruehlmeier.info

www.bruehlmeier.info